René Renschin

ein Text von Lea Dannenhauer

„Bauhaus ist schön!“, sagt René Renschin mit einem Lächeln. Er studiert freie Kunst an der Bauhaus Universität. Er schätzt das Studium in Weimar, insbesondere dessen Freiheiten und Möglichkeiten. Gleichwohl ist die Ambivalenz seiner Aussage nicht zu überhören. Das Bauhaus ist schön und seine künstlerischen Arbeiten möchten es definitiv nicht sein. Sie möchten sich zunächst einmal verwehren und ihre Betrachter herausfordern. Statt von den klaren Formen eines Bauhausdesigns lässt sich der Künstler vom Trash der Populärkultur inspirieren. Denn jene alltägliche Bilderflut prägt unsere Sehgewohnheiten und mit diesen möchte er arbeiten.

Im Jahr 2011 übersetzte René Renschin die Problematik des medialen Overkills in eine große Wandinstallation. Er präsentierte diese Arbeit erstmals an der Summary 2011 im Hauptgebäude der Bauhaus Universität und ein zweites Mal in erweiterter Form in der Ausstellung Bauhaus Essentials 2011 in den Galerieräumen der marke.6. Im Souterrain des Neuen Museums Weimar installierte er auf über zehn Quadratmetern eine raumgreifende Agglomeration verschiedenster Bildmaterialien, Textstücke und Utensilien. Dort findet sich eine Suhrkamp Ausgabe von Walter Benjamins Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit angrenzend an den Flyer einer Fetisch-Party und einer Visitenkarte von Alex Auto Export, oder Feynmans Publikation Vorlesungen über Physik zwischen einem pornografischen Kalenderblatt, einer Deutschlandflagge und Aquarellen. Auch am Boden macht die Installation keinen Halt. Hier liegen neben Zeitschriften und Ankündigungen unter anderem eine Farbpalette, ein Teppichmesser sowie eine Fotografie Adolf Hitlers, die ihn zeigt, wie er mit seinem Finger auf ein Architekturmodell des Weimarer Gauforums weist.
Die Installation, welche sich aus unzähligen Fundstücken, persönlichen Objekten sowie kleinformatigen Zeichnungen und Aquarellen zusammensetzt, verfolgt eine Politik der Überforderung. Bereits aus der Entfernung konfrontiert sie ihren Betrachter mit einer Unsumme von Elementen. Dann ködert sie ihn mit Blickfängern, gekleidet in Gold oder Neon, um ihn beim Herantreten mit ihrer ganzen Komplexität volle Wucht wie ein dadaistisches Beefsteak zu überwältigen. Es ist eine Arbeit, bei deren Anblick „man einfach nur zugeballert wird!“
Erst aus der Nähe betrachtet, ist zu erkennen, dass sich zu der Ebene der Einzelobjekte zusätzlich eine zeichnerische sowie eine textliche Ebene gesellen, welche die Objekte überziehen und miteinander in Beziehung setzten. Ferner stehen die einzelnen Ebenen in einer komplexen und unzertrennbaren Wechselwirkung zueinander. Auf diese Art und Weise bildet die Installation ein offenes System, das kraft seiner Komplexität nicht allein eine ungeheure Tiefe, sondern ebenso subjektive Assoziationen des Betrachters zulässt. Nichtsdestoweniger fordert sie hierfür eine Gegenleistung, sie fordert von ihrem Betrachter Aufmerksamkeit. Wer sich aufmerksam ihrer einzelnen Reize annimmt, dem eröffnet sie ein ungeahntes Feld von Querverweisen und Assoziationsketten. Das Werk entpuppt sich als ein fragiles Gewebe. In leidenschaftlicher Tüftelei fügte der Künstler die Versatzstücke mit Nylonfäden und Klebebändern aneinander, um sie anschließend noch auf bildhafter sowie schriftlicher Ebene zu verknoten. Den zentralen Angelpunkt seines Werkes stellt die Bauhaus Universität Weimar, in deren Umfeld er den Großteil der Versatzstücke sammelte, dar.
„Mir geht es auf den Keks, dass die Uni ihr Potenzial nicht ausschöpft und viele Ideen untergehen.“, sagt René Renschin. „Außerdem glaube ich, dass die Bauhaus Uni nicht selbstkritisch sein möchte.“
Seine Arbeit spricht jene Kritik laut aus. Sie befasst sich intensiv mit der Hochschulpolitik der Bauhaus Universität sowie dem historischen Erbe der Stadt Weimar. Sie äußert sich darüber hinaus zu Themen wie dem Renommee von Meisterklassen an Kunsthochschulen oder der Kommerzialisierung von Kunst auf dem freien Kunstmarkt.
Das Gelingen dieser umfangreichen Arbeit war eine Art Befreiungsschlag für ihn. In ihr konnte er die gewaltige Bilder- und Informationsflut eines Semesters, das „unnütze Wissen“, wie er es selbst nennt, nutzen. Das Endprodukt zeigt eine kritische Auseinandersetzung mit der Bildenden Kunst, welche sich von den persönlichen Wurzeln und Erfahrungen ihres Autors nährt. Kein Dada und doch dort ein Roth, ohne Werbung, kein Beni!
Aufmerksamkeit hat sich zu einem Ausnahmezustand entwickelt. „Was tun?“, fragt das Künstlerkollektiv Chto Delat. „Ich ess Kartoffelsalat mit Mama“, könnte die Antwort von René Renschin lauten

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